Lebenssinn

& Lebenskunst

Lebenssinn und Lebenskunst

„Die beiden wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag an dem du geboren wurdest, und der Tag, an dem du herausfindest, WARUM!“

Mark Twain

Resilienz

Bei der Frage nach dem Sinn des Lebens überschneiden sich Philosophie und Psychologie auf interessante Weise.
Interessant deswegen, was uns die Psychologie darüber berichten kann, in Abgrenzung zu großen Philosophen, wie Aristoteles, Sören Kierkegaard, Arthur Schopenhauer oder Friedrich Nietzsche.

  • Aristoteles sah den Sinn des Lebens als Ziel der Selbstverwirklichung des Menschen an. Er betrachtete Glückseligkeit nicht als statischen Zustand, sondern als stetiges Tätigsein der Seele.
  • Epikur betrachtete das Leben selbst als Sinn des Lebens. Sinn ist für ihn das Streben nach Lebensfreude, Genuss und Zufriedenheit.
  • Albert Camus hingegen sieht in der Selbstbestimmung des Menschen den Lebenssinn.

Bei der Frage nach dem Sinn des Lebens berühren sich die beiden Disziplinen Philosophie, als Geisteswissenschaft und die Psychologie, als Naturwissenschaft, sehr eng.

Philosophie gibt uns einen Einblick, warum der Mensch ein sinnsuchendes Wesen ist und mit welchen geistigen Quellen wir zu Sinn gelangen können.

Die Psychologie gibt uns einen Überblick über verschiedenste Sinnquellen und wie diese das Leben positiv beeinflussen können. Gleichzeitig erklärt sie uns die zugrundeliegenden Muster für ein sinnerfülltes Leben, ohne mit erhobenem Zeigefinger Menschen einordnen zu wollen.

In einer Welt, die durch große Ungleichheit gekennzeichnet ist und von schwer einsehbaren Dynamiken getrieben wird, lebt es sich unter Umständen besser, wenn man die „Warum“– Frage nicht stellt. Besser soll hier heißen: leichter, angenehmer, reibungsloser.

Die Frage nach dem „Warum“ birgt die Gefahr, dass bisherige Illusionen rasch demontiert werden.

Wem jedoch ein „Weil man es eben so macht“, oder “Weil es so ist“ als Antwort nicht mehr ausreicht, der begegnet seiner eigenen Verantwortlichkeit. Diese Erkenntnis bewirkt entweder einen Aufruf zur Veränderung oder die bewusste Entscheidung für das was ist. Beides verlangt geistige Auseinandersetzung und die Konfrontation mit sich selbst. Manchmal stellt uns eben genau diese Konfrontation vor die Herausforderung, Konsequenzen zu ziehen.

Solche Fragen und die damit eventuell einhergehende Veränderungen sind also doch nicht leicht, angenehm und reibungslos. Trotzdem sind sie wichtig und wertvoll.

Lebenskunst

Aber warum? Wäre es nicht viel besser, das Leben einfach zu leben und zu genießen?

In der psychotherapeutischen Arbeit hören wir oft den Satz: „der Sinn des Lebens ist es, einfach zu leben“. Punkt! Genial einfach und bewundernswert, wenn man das so hinbekommt!

Abgesehen davon, dass manche von uns prinzipiell gerne hinterfragen und reflektieren, hat diese Einstellung natürlich auch ihre Berechtigung.
Ein sinnvolles Leben hängt weder von geistigen Fähigkeiten (diese sind oft eher hinderlich), noch von einer persönlichen Leidenschaft fürs Kopfzerbrechen ab.

Schauen wir uns unsere Gesellschaft etwas näher an, dann wird deutlich, warum ein „einfach so leben“ heute nur schwer mit einem gelingenden Leben korreliert.

Wir leben in einer Multioptionsgesellschaft. An jeder Kreuzung tun sich viele Möglichkeiten auf. Wir sind zwangsläufig vor die Qual der Wahl gestellt. Welche Schulformen? Welche Ausbildung? Welche Lebensform und Liebesform? Mann oder Frau? Kurzfristig oder langfristig? Kein Kind, oder doch welche? Mit oder ohne Beruf? Die Liste ist endlos.

Was also heißt unter diesen Umständen „einfach so leben“?

Wer das Nachdenken vermeidet, wird daher oft den Weg des geringsten Widerstands gehen, wird nur die Gelegenheiten ergreifen, die sich gerade so anbieten (und oft nicht einmal diese). Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass der so eingeschlagene Weg der Person wirklich entspricht- ihren Fähigkeiten, Interessen und Wertvorstellungen. Erschwerend kommt hinzu, dass unsere gegenwärtige Kultur auf einem Menschenbild beruht, das uns vermittelt: Glück ist machbar. Durch Konsum, Diät, Wellness, wechselnde Partnerschaften, Urlaub, Schönheitsoperationen. Sie haben es vermutet, auch diese Liste ist endlos.
Wer trotz all dieser Möglichkeiten immer noch nicht glücklich ist, na der ist dann eben selbst schuld. Die enorm große Verfügbarkeit dessen, was wir glauben, dass es Glück wäre, verursacht Glücksstress. Wer die mehr oder weniger subtile Beeinflussung der Werbung und der Massenmedien nicht hinterfragt, stolpert ungebremst in die „Wohlfühlfalle“. Kurzfristige Befriedigung führt dann zu langfristiger Abhängigkeit und Frustration.

Exkurs:

Staatlich- politische Systeme bedienen sich oft diesem Streben der Menschen nach „was könnte mich glücklich machen“, da eigene Unzufriedenheit meist mit Belohnung (Konsum) kompensiert wird. Die Aufrechterhaltung von Unzufriedenheit in Gesellschaften ist somit ein marktökonomischer Faktor, der jährlich Milliardenumsätze generiert. Förderlicher wäre die Einstellung: „Genug ist der
Reichtum des Weisen“, was allerdings, allen voran kapitalistische Systeme, die auf Wachstum durch Konsum ausgerichtet sind, zusammen brechen ließe.
Andererseits hat der Zerfall von politischen Systemen, vor allem diktatorisch, kommunistischen Systemen, in denen man sich ohne Suche nach Sinn im Lebens gut aufgehoben fühlte, zu einem Umdenken und zu einem gewissen Hype in den letzten fünfundzwanzig Jahren geführt.
Sorgten früher Staaten und die Gesellschaft für einen Sinn, durch Arbeit nach dem drei Jahres Plan, nahezu für jeden die selben Konsumgüter, Aufgehobensein in einer Kita, Urlaub dort, wo jeder hinfährt usw., so sind diese Rahmenbedingungen weggebrochen, was nun der Überzeugung Platz macht: wenn ich mich nicht selbst um mein Glück und einen Sinn im Leben kümmere, dann tut es niemand.

Die Herkunft des Wortes Sinn geht übrigens auf die indogermanische Wurzel „sent“ zurück, was soviel bedeutet wie etwa: eine Richtung nehmen, eine Fährte suchen. Somit ist also das Einschlagen eines Weges, die Entscheidung für eine Richtung, das, was über Sinn oder Sinnlosigkeit entscheidet. Sinn ist so gesehen eine dynamische Eigenschaft, die Veränderungen unterliegt. Sinn ist der Weg, nicht das Ziel.

Doch die Frage, wie Sinn im Leben entsteht ist immer noch offen.
Versuchen wir die Sinnsuche auf einer anderen Ebene durchzuspielen. Sie lesen gerade diesen Text. Ist das sinnvoll? Kommt darauf an: auf das Wer und das Wann.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein zwölfjähriger Jugendlicher, der durch Zufall auf diesen Bericht gestoßen ist. Wahrscheinlich würden Sie das Lesen nicht als sinnvoll erleben, weil Sie vieles nicht verstehen könnten. Wären Sie eine Geschichtsstudentin unter Zeitdruck, kurz vor einer wichtigen Klausur, so könnten Sie den Text zwar verstehen, aber in Ihrer jetzigen Situation wäre es nicht sinnvoll ihn zu lesen.
Angenommen Sie sind ein TherapeutIn, oder Arzt/ Ärztin, der/ die sich etwas Lesezeit nehmen konnte.
Vieles, was Sie hier lesen, würde Sie an Gespräche mit Ihren Patienten erinnern. An vieles werden Sie aufgrund persönlicher und beruflicher Erfahrung anknüpfen können. Durch das Lesen werden Ihre Gedanken auf neue Wege gelenkt. Ihre neu gewonnenen Erkenntnisse werden zu Ihrem übergeordneten Ziel (overarching purpose) Menschen zu helfen, beitragen. Hier macht das Lesen Sinn.

Sinn entsteht also durch die Wahrnehmung eines übergeordneten Zieles (psychologisch auch Bedeutungsüberschuss). Eine Sache mag schön sein, eine Handlung langweilig, oder interessant; sinnvoll wird sie erst dann, wenn sie eine weitergehende, übergeordnete Bedeutung hat.

Wie entsteht nun aber der Sinn einer Handlung?

Sinnkonstruktion findet im Gehirn ständig statt, von der Ebene der Wahrnehmung, bis zur komplexen Ebene des Lebenssinnes.

Betrachten wir zuerst die Ebene der Wahrnehmung.

Reize treffen auf Sinnesorgane und werden in die Einheitssprache des Gehirns übersetzt und als neurochemische Signale in die unterschiedlichsten Gehirnareale weitergeleitet (sensorische Rindenfelder usw.). Diesen Signalen ist noch kein Sinn einbeschrieben. Er wird erst konstruiert, indem Informationen gefiltert, zusammengefügt und mit bestehenden Informationen abgeglichen werden. All diese Prozesse dienen dazu, zu einem Verständnis der Signale zu gelangen- zu einer sinnvollen Wahrnehmung. Eine solche sinnvolle Wahrnehmung liegt erst dann vor, wenn sie eine Reaktion auslöst, also in eine mögliche Handlung umgesetzt werden kann.

Handlungen ihrerseits werden als sinnvoll erfahren, wenn sie übergeordneten Zielen dienen. Zielloses Handeln ist rein nur Aktivität, die manchmal natürlich auch ihre Berechtigung hat. Nicht alles, was wir tun, muss zielorientiert und sinnvoll sein. Wenn wir uns bewegen aus Freude an Bewegung, wenn wir vor uns hinsingen oder ziellos durch die Gegend laufen, dann mag das sinnbefreit wirken, aber eben nicht im Verständnis einer negativen Bewertung, oder wie es Wilhelm Busch ausdrückte:

Wilhelm Busch

„Der Geist entweicht, der Kopf wird leicht“.

Bei einer sinnvollen Handlung entsteht der Sinn aus der Bedeutung, den die Handlung für ein übergeordnetes Ziel hat.
So wird aus reiner Bewegung sinnvolle Bewegung, wenn sie Zielen der Gesundheit oder Fitness dient. Der Gesang unter der Dusche wird sinnvoll, wenn der Sänger für einen Wettbewerb übt.

Ziele für sich genommen werden oft als etwas Sinnvolles angesehen, denn sie aktivieren eine Zukunftsorientierung, motivieren uns und helfen, den Alltag zu strukturieren. Diese Sichtweise muss allerdings etwas korrigiert werden. Zielverfolgung um jeden Preis kann auch etwas Zerstörerisches haben, nämlich dann, wenn Ziele zu lange verfolgt werden, die nicht erreichbar sind.

Extrinsische Ziele sind solche, die man verfolgt, um Belohnung zu erlangen, oder Bestrafung zu vermeiden und nicht, weil man sie als richtig und sinnvoll betrachtet.

Wenn ich also ein Ziel alleine nur deshalb verfolge, weil meine Eltern es sich so wünschen, weil es gesellschaftlich angesehen ist oder weil ich sonst keine finanzielle Unterstützung mehr erhalte, dann endet dies früher oder später in Sinnlosigkeit.

Ziele werden dann als sinnvoll erlebt, wenn sie mit den übergeordneten Lebensbedeutungen übereinstimmen; wenn sie also die Werte und Überzeugungen einer Person widerspiegeln und mit diesen in Einklang gebracht werden.

Und wie fühlt sich Sinn nun an?

Wir wissen nun einiges darüber, wie Sinn entsteht- aber wie fühlt er sich an? Nun, Sinn fühlt sich im Allgemeinen gar nicht an, da es kein Gefühl ist.

Merkmale eines Gefühls sind nämlich:

  • Biologische Aktivierung: Ein Gefühl geht mit physiologischer Erregung einher.
  • Motivation: Ein Gefühl motiviert dazu, das Ziel zu verfolgen (angenehme Gefühle) oder es zu vermeiden (unangenehme Gefühle).
  • Kognition: Das Gefühl wird geprägt durch die verstandesmäßige Deutung des Zusammenhangs, in dem es auftritt.
  • Empfindung: Gefühle werden subjektiv erlebt.
  • Ausdruck: Gefühle spiegeln sich in Mimik und Gestik wider.

Obgleich Sinn ein großer Motivator ist, ist er im Allgemeinen weder biologisch aktiviert, noch von biologischen Erregungsprozessen begleitet. Auch der Aspekt des subjektiven Erlebens ist nicht vorhanden, da Sinn und Sinnhaftigkeit in der Regel nicht wahrgenommen werden, genauso, wie Gesundheit nicht wahrgenommen wird, solange man nicht erkrankt.

Ein sinnvolles Leben ist durch Stimmigkeit und Passung gekennzeichnet, also Merkmalen, die unter der Wahrnehmungsschwelle bleiben. Unser äußerst aktiver Wahrnehmungsapparat macht uns vor allem auf Dinge aufmerksam, die ein Eingreifen und Handeln verlangen. Solange alles läuft, es für uns passend und stimmig ist gibt es es keinen Grund, darauf hinzuweisen.

Zusammenfassend können wir sagen: Sinn ist kein Gefühl, vielmehr handelt es sich bei Sinn um subjektive Bewertungen, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bleiben, solange das Ergebnis positiv ist. Gefühle haben dabei bestenfalls eine Bestätigungsfunktion, z.B. Freude beim Erreichen eines Zieles.

Sinn ist dynamisch

Veränderungen während der Lebensphasen

Betrachtet man das Ausmaß der Sinnerfüllung, so zeigt sich ein positiver Anstieg mit dem Alter.(Schnell& Becker 2007).

Vergleicht man den Prozentsatz der Menschen, die sich Sinnerfüllung zuschreiben, über die Alterstufen hinweg, so sieht man folgende Werte:

  • 16 bis 29- Jährige mit 58%,
  • ab 30 Jahren, mit Eintritt in die Elternschaft mit 64%
  • zwischen 40 und 49 Jahren 61%
  • ab 50 Jahren stabil hohe Werte 70%.

Etwas anders verläuft der Alterstrend, wenn es um die Häufigkeit von Sinnkrisen geht.

  • 16 bis 29- Jährige mit 5%
  • 30 bis 49- Jährige mit 7%
  • 50 bis 59- Jährige mit 2%
  • ab 60 Jahren stabil bei 1%

Unser existentielles Fundament hat sich also ab 50 soweit gefestigt, dass es nur schwer zu erschüttern ist.
Doch für einige hält das Leben noch schwere Herausforderungen bereit. Im hohen Alter können Einschränkungen, Beschwerden und Krankheiten die Lebensqualität stark belasten. Ein leichter Anstieg ab 75 weist darauf hin ,dass es noch einmal wahrscheinlicher wird, dass Menschen verzweifeln.

Quellen des Lebenssinns

„Wer ein „ Warum“ zu leben hat, erträgt fast jedes „Wie“. „

Viktor Frankl

Bisher wurde die Lebensbedeutung eher überblicksartig beschrieben. Im Folgenden geht es darum, was die zehn stärksten Sinnstifter für ein gelingendes Leben sind. Die Reihenfolge entspricht den Antworten von mehreren Tausend Befragten weltweit.

  1. Generativität: Generativität bedeutet nach Erikson die Liebe in die Zukunft zu tragen, sich um zukünftige Generationen zu kümmern, eigene Kinder großzuziehen. Generativität ist generell das Erziehen der nächsten Generation, sei dies als Eltern oder sonst in einer Form, die ein Ziel vor Augen hat. Diese Haltung entwickelt sich nur, wenn ein grundsätzliches Gefühl des Vertrauens vorhanden ist. Erikson zählt dazu nicht nur, eigene Kinder zu zeugen und für sie zu sorgen, er zählt dazu auch das Unterrichten, die Künste und Wissenschaften und soziales Engagement. Also alles, was für zukünftige Generationen „brauchbar“ sein könnte. Es ist nachgewiesen, dass sich aus psychologischer Sicht ältere Menschen etwas Gutes tun, wenn sie sich aktiv um nachfolgende Generationen kümmern, d. h., SeniorInnen sollten sich ein Thema suchen, das ihnen wichtig ist: Das kann ein Engagement in der Politik, im Umweltschutz, für Tiere oder ein Ehrenamt sein. Wichtig ist, dass sie das Gefühl haben, bei der jeweiligen Tätigkeit ihren persönlichen Erfahrungsschatz weitergeben zu können. Mit Generativität bekommen SeniorInnen das Gefühl, von den Jüngeren gebraucht zu werden, denn die eigene Sterblichkeit wird von vielen als Kränkung erfahren, und es macht dann glücklich zu wissen, dass sie etwas hinterlassen können. Das Gegenteil wird als Selbst-Absorption bezeichnet. Hierunter wird eine Vereinsamung verstanden, d. h. zwischenmenschliche Beziehungen werden wenig gepflegt, im Mittelpunkt steht ein sich um sich selbst kümmern und um niemanden sonst. Zu viel Generativität heißt, dass man sich selbst vernachlässigt zum Wohle anderer. Diese Haltung ist auf Dauer keine gute Wahl.
  2. Religiosität: bezeichnet im deutschen Sprachgebrauch die aus tiefer Ehrfurcht vor der Ordnung und Vielfalt in der Welt entstehende, universale menschliche Empfindung, dass alles letzten Endes auf einer ganzheitlichen, jedoch transzendenten (nicht erklär- oder beweisbaren) Wirklichkeit beruht. Der Begriff der Religiosität wird hier also nicht nur als ein Glaube an einen Gott aufgefasst, sondern auch im metaphysischen (jenseits des Erklärbaren) Sinn. Beispielsweise kann die Erfahrung ein kleiner Teil eines großen Gesamten zu sein auch in der Praxis der Meditation erfahren werden.
  3. Fürsorge: Fürsorge bedeutet, für eine Person zu ihrem Wohl ihre Angelegenheiten zu besorgen, die sie selbst nicht leisten kann. Das kann innerhalb der Familie, durch gemeinnützige Organisationen der freien Wohlfahrtspflege oder durch staatliche bzw. kommunale Einrichtungen erfolgen. Die Selbstfürsorge, das Kümmern um Ihre eigene seelische und körperliche Gesundheit dürfen Sie dabei nie aus den Augen verlieren.
  4. Harmonie: allgemein die Übereinstimmung, Einklang, Eintracht, Ebenmaß.
  5. Entwicklung: ist die Beschreibung und Erklärung zeitlich überdauernder, aufeinander aufbauender Veränderungen menschlichen Erlebens und Verhaltens über die gesamte Lebensspanne. Diese Veränderungen führen zu einer Zunahme oder Abnahme von Fähigkeiten im nicht von Krankheit bestimmten, biologischen Verlauf des Lebens. Wobei auch Krankheit und besonders diese, zu einer Entwicklung und als Kapitel im Leben durchaus sinnstiftend sein kann.
  6. Soziales Engagement: ist ein unterschiedlich motiviertes soziales Handeln, das meist auf den Prinzipien der Ehrenamtlichkeit und Freiwilligkeit beruht. Das bedeutet, man investiert Zeit und/oder Geld in ein Projekt, das einem guten Zweck dient (Wohltätigkeit). In dieser Bedeutung unterscheidet es sich vom wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Engagement. Der Begriff ist erst seit Mitte der 1960er Jahre in der öffentlichen Diskussion und wurde unter anderem durch die christliche Soziallehre gefördert. Soziales Engagement kann in einer Umweltschutz-, Menschenrechts-, Tierschutz- oder anderen karitativen Organisation geleistet werden und geht mit der Unterstützung durch Beitritt und Spenden an, ist aber darüber hinaus in der Regel auch mit einem konkreten praktischen Einsatz für gemeinsame Ziele verbunden.
  7. Bewusstes Erleben: Mit bewusstem Erleben sind wir sehr schnell beim Begriff der –> Achtsamkeit. Bewusstes Erleben lässt uns die Dinge, die in uns und um uns herum stattfinden klar und ohne Beurteilung wahrnehmen. Dies beginnt mit der Eigenwahrnehmung des Atems, bis hin zu einem Waldspaziergang, wo Düfte, Geräusche und Farben bewusst wahrgenommen werden, ganz ohne Interpretation, oder Bewertung. Der aufmerksame Einsatz unserer Sinne (hören, riechen, sehen, schmecken, berühren usw.), führt selbst wieder zu einer Sinn- Haftigkeit im Leben.
  8. Naturverbundenheit: Wenn Menschen wöchentlich regelmäßig Ausflüge in die Natur machen und sich mit ihr psychisch und physisch verbunden fühlen, ist dies mit einem verbesserten körperlichen und geistigen Wohlbefinden verbunden.
  9. Kreativität: bezeichnet in der Regel die Fähigkeit eines Individuums oder einer Gruppe, in phantasievoller und gestaltender Weise zu denken und zu handeln. Zu den kreativitätsfördernden Aspekten einer Person gehören bspw. Merkmale, wie Offenheit für Erfahrung, Verantwortungsgefühl oder hohe allgemeine kognitive Fähigkeiten. Der Kreativitätsprozess wird meist als typische Abfolge von
    -Problemidentifikation,
    -Vorbereitungsphase,
    -Generierungsphase (mögliche Lösungen werden entwickelt) und
    -Beurteilungsphase (Analyse der Lösungen) beschrieben.
  10. Gemeinschaft: bezeichnet eine überschaubare soziale Gruppe, deren Mitglieder durch ein starkes „Wir-Gefühl“ eng, oftmals über Generationen, miteinander verbunden sind. Die Einbindung in eine Gemeinschaft erlaubt uns, Probleme, aber auch Freude zu teilen und Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Auch das „sich auf jemanden verlassen können“ entsteht durch Vertrauen in eine Gemeinschaft.

Sinnkrisen

Sinnkrisen können äußerst schmerzhaft sein. Sie gehen oft einher mit Depression, Pessimismus, Ängstlichkeit und negativer Stimmung. Gleichzeitig sind positive Aspekte, wie Lebenszufriedenheit, Hoffnung und Lebenslust stark eingeschränkt. Auch die –> Resilienz, also die Widerstandskraft, ist deutlich vermindert und auch Selbstregulationsprozesse, wie Aufmerksamkeitslenkung, Selbstmotivation, Selbstberuhigung, Selbstaktivierung und Misserfolgsbewältigung gehen verloren. Dementsprechend tendieren Menschen in solchen Phasen dazu, sich zurückzuziehen. Sie empfinden es als beinahe unmöglich, ihre Lage zu beschreiben oder anderen zu erklären. Nach einer Studie von Gerstner (2012) sind Sinnkrisen der stärkste Prädiktor (Vorhersagefaktor) von Suizid bei Heranwachsenden.

Sinnkrisen bewältigen

Sinnkrisen sind häufig Bestandteil einer Depression. In diesen Fällen ist es ratsam, professionelle Beratung und auch therapeutische und pharmakologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Doch Sinnkrisen können auch für sich alleine stehen, als existentielles Thema, ohne Krankheitswert. Sinn im Leben ist eng verknüpft mit der Suche nach Glück. Was macht uns also glücklich und macht für uns daher einen Sinn?
Dazu bietet uns die Philosophie drei Lösungsvorschläge an.

Hedonismus oder das Zufallsglück:

„Man will nicht nur glücklich sein, sondern glücklicher als die anderen. Und das ist deshalb so schwierig, weil wir die anderen für glücklicher halten, als sie sind“

Charles-Louis de Montesquieu

 

mehr zu Hedonismus

Hedonismus bezeichnet die Lebensanschauung, nach welcher die körperliche und geistige Lust, das Vergnügen, Motiv und Zweck des Handelns sind. Die Lust ist das höchste Gut und für den Hedonisten ist die Lust an sich das Wertvolle, der Selbstzweck und das Anzustrebende. In der Philosophie ist der Hedonismus eine philosophische bzw. ethische Strömung, die die Lust als höchstes Gut und Bedingung für Glückseligkeit und gutes Leben ansieht. Im Gegensatz zu der Lust, wie sie von Epikur gelehrt wird, versteht man unter dem Begriff Hedonismus auch allgemein eine nur an materiellen Genüssen orientierte, egoistische Lebenseinstellung. In diesem Sinne wird der Begriff Hedonismus oft abwertend gebraucht und als Zeichen von Dekadenz interpretiert. Diese antike philosophische Anschauung, nach der das höchste ethische Prinzip das Streben nach Sinneslust und Genuss ist, das private Glück in der dauerhaften Erfüllung individueller physischer und psychischer Lust liegt, widerspricht der aktuellen Auffassung, wonach Selbstkontrolle, die man für das Erreichen langfristiger Ziele braucht, letztlich eher zu einer nachhaltigen Zufriedenheit führt. Mittels eines Fragebogens, der die hedonistische Fähigkeit misst, unmittelbaren Bedürfnissen und kurzfristigem Vergnügen nachzugehen und diese auch zu genießen, fanden Bernecker & Becker (2020) heraus, dass Menschen, die sich dem Genuss ungeteilt hingeben können, nicht nur kurzfristig mehr Wohlbefinden erleben, sondern generell eine höhere Lebenszufriedenheit aufweisen und auch weniger an Depressions- und Angstsymptomen leiden. Dabei sollte man sich aber in Genuss- oder Entspannungsmomenten nicht gedanklich ablenken lassen, denn das Grübeln über Aktivitäten oder Aufgaben, die man stattdessen erledigen sollte, untergräbt das unmittelbare Bedürfnis, sich zu entspannen. Die Auffassung, dass primär Selbstkontrolle hilft, ein zufriedenes und erfolgreiches Leben zu führen, indem langfristige Ziele über kurzfristiges Vergnügen gestellt würden, ist zwar durchaus wichtig für ein sinnhaftes und erfolgreiches Leben, aber auch die Fähigkeit, lustvolle Aktivitäten zu genießen, trägt ebenso viel zur Lebenszufriedenheit bei. Daher stehen nach Ansicht der beiden Forscherinnen diese scheinbar gegensätzlichen Auffassungen nicht im Widerspruch, sondern es sind beide für ein zufriedenes und erfolgreiches Leben wichtig. Im antiken Griechenland wollten die Stoa des Zenon (gegründet 308 v.Chr.) und die Gartenschule des Epikur (306 v.Chr.) den Menschen von Leidenschaften (belastende Gedanken und Gefühle) befreien und werteten die Naturlehre gegenüber der Metaphysik auf. Vor allem Epikur war ein Verfechter des Hedonismus, der ein Leben voll Freude und Lust, frei von Schmerz ermöglichen sollte. Mittel der Wahl war allerdings auch bei Epikur Bescheidenheit und vernünftiger Verzicht. Epikur lehnte daher die Vorstellung ab, dass die menschliche Lust uneingeschränkt ausgelebt werden sollte und plädierte dafür, die Folgen des eigenen Handelns stets abzuwägen. Die Stoiker hingegen strebten nach Harmonie mit den kosmischen Gesetzmäßigkeiten und lehrten statt Hedonismus jedoch die Tugendhaftigkeit der Apathie, der Erregungs- und Emotionslosigkeit. Nur wenige, durch Vernunft begründbare Gefühle galten ihnen als erstrebenswert. In der modernen Welt des Marketing wird der Hedonist wie folgt beschrieben: „Im Gehirn des Hedonisten regiert das Stimulanz-System, d.h., er denkt weniger gern nach, sondern wendet bevorzugt bekannte Regeln an oder verknüpft diese neu. Der Hedonist ist immer auf der Suche nach der nächsten Belohnung, wobei Qualität und Herkunft eines Produkts für ihn eine geringe Rolle spielen, Hauptsache es ist neu und anders, am besten laut, schrill, extravagant und individuell. Hedonisten sind typische „Early Adopter“ ( frühzeitige Anwender), die sich als Erste mit neuen Trends und Produkten beschäftigen. Sie zählen zu den klassischen Impulskäufern, die viel und gerne einkaufen, auch wenn sie die Produkte nicht unbedingt brauchen. Einkaufsstättentreue und Beratungsbedarf sind gering, weil die hedonistische Grundstimmung auch das Risiko verdrängt, wobei Gesundheitsfragen bei Hedonisten nur eine geringe Rolle spielen, denn sie sehen den eigenen Körper als Erlebnis- und Gestaltungszone, mit der man sich darstellen kann. Bevorzugte Einkaufsorte sind Zara, Segafredo, Mode-Boutiquen sowie die typischen In-Kneipen.“ Unter hedonistischer Tretmühle bzw. hedonistischer Adaptation versteht man die Tendenz von Menschen, nach einem stark positiven oder negativen Lebensereignis relativ schnell zu einem relativ stabilen Niveau von Glücklichsein zurückzukehren. Der schon früher verwendete Begriff wurde als Konzept durch Michael Eysenck zur hedonistischen Tretmühlen-Theorie modifiziert, die das Streben nach Glück mit einer Tretmühle vergleicht, d. h., der Betroffene arbeitet die ganze Zeit daran und bleibt doch am selben Platz. Das Modell der hedonistischen Tretmühle versucht unter anderem zu erklären, warum mehr Wohlstand bzw. mehr Einkommen Menschen nicht in erwarteter Weise glücklicher macht (Easterlin-Paradox). So zeigte eine Studie, dass Lotteriegewinner im Durchschnitt nicht glücklicher sind als andere. Das Konzept ist sowohl in der Glücksforschung, der positiven Psychologie, als auch in Teilen der Wirtschaftswissenschaften wie der Verhaltensökonomik von Relevanz. Das Easterlin-Paradox ist eine Theorie über den Zusammenhang zwischen Einkommen und Glück und beschreibt, dass bei internationalen Vergleichen eine schwächer Zusammenhang zwischen subjektivem Glück und Einkommen, als bei intranationalen Vergleichen zu finden ist, sodass relatives Einkommen ein besserer Prädiktor von subjektiver Zufriedenheit ist als absolutes Einkommen. Letztlich bedeutet dieser Ansatz, wenn grundlegende Bedürfnisse von Menschen gestillt sind, mehr Reichtum nicht automatisch zu mehr Glück führt.

Eudaimonie oder das Wohlfühlglück:

In der Alltagssprache spricht man von Glück, wenn etwas gut gelaufen ist. Im Englischen spricht man von „Luck“ oder im Sport den „lucky Punch“, wenn man in der Nachspielzeit das Siegestor erzielen konnte. Speziell im Sport wird die Glück-Pech-Metapher strapaziert:

„Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu.“

Jürgen Wegmann, Fußballspieler, 1964

 

Nur hier ist nicht dieser Glücksbegriff gemeint. Glück ist mehr als die Abwesenheit von Pech. Genauso wie Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit. Wir beschäftigen uns hier mit Glück und Wohlbefinden (also im Englischen happiness und well-being). Die positive Psychologie spricht hier von eudaimonischem Glück.

Eudaimonisches Glückserleben

Der Begriff Eudaimonia setzt sich aus „Eu“ (=gut) und „Daimon“ (=Dämon, Geist) zusammen. In der Eudaimonie versucht man also den eigenen guten Geist auszuleben. Das eudaimonische Glückserleben (eudaimonic happiness) bzw. das eudaimonische Wohlbefinden (eudaimonic wellbeing) wird oftmals auch als Werteglück bezeichnet.

Wurzel der Eudaimonie finden sich bei Aristoteles (Nikomachische Ethik). Die Eudaimonie ist ein objektives Konzept, in dem man mehr gute als schlechte Taten vollbringen sollte. Eine gute Tat ist durch das Ausleben von allgemein anerkannten Tugenden gekennzeichnet. Dies impliziert das Suchen und Streben nach dem objektiv Guten, Richtigen und Sinnvollen, wie z.B. Mitmenschen unterstützen oder etwas zur Gemeinschaft beitragen.

Kernelemente von Eudaimonie sind:

  • Authentizität, Sinn, Entwicklung und Exzellenz (Huta, 2016)
  • Authentizität: bewusstes Handeln im Einklang und in Verbindung mit eigenen Werten und sich selbst. Dazu sollte man sich mit sich selbst und den eigenen inneren Werten auseinandersetzen und sich deren bewusst werden.
  • Sinn: das große Ganze betrachten, den Lebenssinn und wichtige Ziele verfolgen. Dies impliziert, dass jeder etwas beitragen kann, die Welt und das große Ganze zu verändern.
  • Exzellenz: Streben nach einer höheren und besseren Qualität des eigenen Verhaltens und der eigenen Leistungen. Die Anstrengungen und Bemühungen sind dabei wichtiger als die eigentliche Zielerreichung.
  • Entwicklung: lebenslanges Lernen, persönliche Entwicklung und Entfaltung der eigenen Potentiale. Dies bringt mehr Kompetenz, Wissen, Fähigkeiten, Fortschritt, Leistung und Selbstverwirklichung.

Das Glück der Fülle:

Hedonistisches und eudaimonisches Glück betrachten, wie wir gesehen haben mehr die positiven Aspekte des Glücks. Ist aber nicht die Polarität, die Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit des Lebens das, was echtes Leben ausmacht? Das größere Glück, das Glück der Fülle, umfasst immer auch die andere Seite, das Unangenehme, das Schmerzliche und Negative, mit dem wir zurechtkommen müssen. Niemand sucht diese andere Seite absichtlich, aber auszuschließen ist sie für keinen von uns. Im besten Fall kann man sie mäßigen und den unangenehmen Seiten des Lebens den Schrecken nehmen. Die beste Voraussetzung dafür ist, auch die negativen Aspekte im Leben zu akzeptieren.
Abhängig ist dieses Glück der Fülle allein von der geistigen Haltung zum Leben, die ein Mensch einnimmt und mit der Zeit im Denken einübt.
Das moderne Menschenbild geht davon aus, dass alles positiv ist und wenn nicht, dann wird es zum Positiven verändert.
Es ist aber nun einmal so, dass es negative Dinge gibt, die sich schlecht wegdiskutieren lassen, egal wie viele Schönheitsoperationen unternommen, Medikamente erfunden oder politische Maßnahmen ergriffen werden. Hartnäckig fordert das Leben seine Polarität ein, etwa beim Versuch Lebensrisiken zu vermeiden, mit der Folge, dass Menschen willentlich und vorsätzlich nach Ersatzrisiken (Extremsport, Börsenspekulation, Abenteuerurlaub) suchen, da ein Grundpegel an Risiken und Adrenalin nicht unterschritten werden kann.
Wir könnten uns fragen: Ist es uns möglich, die Polarität des Lebens zwischen Positivem und Negativem zu akzeptieren? – Nicht in jeder ihrer Erscheinungsformen, aber in ihrer Grundstruktur.
Die gesamte Breite der Erfahrungen zwischen den Gegensätzen vermittelt doch erst den Eindruck, wirklich zu Leben und das Leben voll und ganz zu spüren.
Dieses Glück ist umfassender und dauerhafter, als alles Wohlfühlglück, oder Zufallsglück.

Keines der genannten „Glücke“ ist verzichtbar. Das Glück der Fülle aber ist das einzige, das dauerhaft sein kann und muss in modernen, vom Angenehmen verwöhnten Zeiten erst wieder erlernt und kultiviert werden.
Während Wohlfühlglück auf die Zukunft gerichtet ist, das Zufallsglück im Augenblick stattfindet, kann das Glück der Fülle nur in der Vergangenheit gedacht werden. Ein Nachdenken über die Leistungen und Niederlagen im Leben, die man – gut oder schlecht – , aber auf jeden Fall bewältigt hat, bringt eine Zufriedenheit ins Leben zurück, verbunden mit der Zuversicht, auch weitere Herausforderungen im Leben zu meistern.

Exkurs:

Sinn im Leben bewegt sich immer zwischen Extremen. Soll heißen zwischen Gesundheit und Krankheit, reich und arm, Sommer und Winter, glücklich und unglücklich. Die größte Polarität erfahren wir in Leben und Tod. Diese Dimension wird mehr und mehr aus unseren Leben ausgeblendet und spornt uns an, im hier und jetzt alles zu erleben.
Zweifellos geht die Frage nach dem Sinn des Lebens aber über die eigene Existenz und Wirklichkeit hinaus. Es geht hierbei um Transzendenz, im eigentlichen Wortsinn, transcendere:
Das Überschreiten einer Schwelle, hier im Speziellen zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit, Wirklichkeit und Möglichkeit. Was hier in den Fokus des Nachdenkens rückt, ist der weitestmögliche Horizont, in den das eigene Leben eingebettet werden kann. Oft mit Religiosität oder Spiritualität in Zusammenhang gebracht, lässt Transzendenz aber auch für all jene eine Türe offen, die Transzendenz gerade nicht mit einem Glauben, woran auch immer, in Verbindung bringen können und dennoch ihr Leben offen halten wollen für eine andere Dimension.

Entscheidend ist nicht, ob diese andere Dimension nur ein Wunsch oder eine Vorstellung oder eine unbestreitbare Wirklichkeit ist. Entscheidend ist die Frage:
Trägt eine solche Vorstellung zu einem schönen und bejahenswerten Leben bei?
Sehr gut vorstellbar,dass dies der wesentlichste Beitrag zu einem erfüllten, glücklichen Leben ist.

In einer neueren amerikanischen Metaanalyse wurde nach Durchsicht repräsentativer Einzelstudien festgestellt, dass die meisten Menschen einen ausprägten Sinn in ihrem Leben sehen, wobei es drei Quellen für das Sinnerleben gibt:

Beziehungen,
Freude und
Ordnung.

Ausgangspunkt war unter anderem die Annahme Viktor Frankls, dass dem modernen Menschen ein Sinnlosigkeitsgefühl (existenzielles Vakuum) verbunden mit der unaufhörlichen Suche nach Lebenssinn zu eigen ist. Es zeigte sich in der Untersuchung, dass der empfundene Lebenssinn zunahm, wenn man sich mit anderen verbunden sah, freudig gestimmt war oder geordneten Reizen ausgesetzt war. Die Auswertung legte aber auch nahe, dass der Lebenssinn zwar ausgeprägt sein kann, auch wenn das Streben nach Sinn weitergeht, um der Selbststeuerung und der Anpassung des Organismus gerecht zu werden.

Wenn Sie der Sinn im Leben und das Glück noch nicht getroffen haben

Viktor Frankl und die Logotherapie:

Die Logotherapie ist eine auf der Existenzanalyse aufgebaute psychotherapeutische Methode zur Behandlung von seelischen Störungen und wurde von Viktor Frankl begründet. Sie zielt auf die Aktivierung der „noetischen“ (von der Vernunft einsehbaren) Schichten der Persönlichkeit, um den Patienten in die Lage zu versetzen, den Sinn seines Daseins zu finden und sich dadurch von den neurotischen Lebensverantwortungen zu befreien.
Die Logotherapie (logos = Sinn) ist somit eine Form der Psychotherapie. Frankl wurde von der Psychoanalyse von Freud und der Individualpsychologie von Adler beeinflußt. Die Logotherapie gilt daher als dritte Wiener Schule der Psychotherapie nach Sigmund Freuds Psychoanalyse und Alfred Adlers Individualtherapie.
Frankl, der als Schüler und Student mit Freud korrespondierte und in Alfred Adler einen Lehrer fand, distanzierte sich später von beiden. Er glaubte nicht, dass alles menschliche Erleben wie bei Freud auf die Libido („Wille zur Lust“) oder wie bei Adler auf den Minderwertigkeitskomplex („Wille zur Macht“) reduziert werden dürfte. Das, was den Menschen antreibt, ist für Viktor Frankl letztlich sein Suchen und Streben nach dem Sinn („Wille zum Sinn“).

Die Logotherapie sieht den Menschen als ein vorrangig sinnsuchendes Lebewesen, mit einem freien Willen, mit Verantwortungsbewußtsein (auch gegenüber sich selbst) und Gestaltungsfähigkeit. Der Mensch in der Logotherapie besitzt die Freiheit (im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten) das eigene Leben selbst zu gestalten. Der Mensch ist aber nicht nur frei, er strebt vor allem auch nach etwas, nach einem Sinn in und für sein Leben. Ist sein Leben sinnentleert, ist das der wesentliche Grund, dass der Mensch körperlich und seelisch krank wird.

Die Logotherapie hilft folgerichtig dem Klienten bei seiner Sinnsuche, indem sie Blockaden und Hindernisse erkennt und beseitigt. Allerdings schreibt die Logotherapie dem Klienten nicht vor, welchen Sinn oder welchen Weg er einschlagen soll. In der Logotherapie geht es nicht um das Aufdecken psychischer Abwehrmechanismen, sondern menschliche Werte und Leistungen anzuerkennen, nicht um Selbstreflexion, sondern um Selbstverantwortung. Praktische Techniken der Logotherapie sind etwa die Einstellungsänderung (Einstellungsmodulation), die paradoxe Intention, der sokratische Dialog und die Dereflexion. Sinnerleben ist allerdings individuell unterschiedlich ausgeprägt, denn dazu gehört etwa das Erreichen subjektiv wertvoller Ziele ebenso wie das Handeln nach persönlichen Werten.

Sinn kann auch der Aufbau von gelingende Beziehungen über Fairness und Respekt stiften, sich gegenseitig zu unterstützen oder die Nähe zu besonderen Menschen zu suchen, nicht zuletzt auch zu sich selbst. Genauso wichtig ist aber auch außerhalb der eigenen Person zu fragen, welchen Beitrag man zur Gesellschaft leisten kann, welches Vermächtnis man hinterlassen möchte.
Das menschliche Sinnerleben hängt immer auch davon ab, dass man weiß, was wichtig und richtig ist und auch dementsprechend zu handeln bzw. handeln zu können, denn oft haben Menschen nicht die Möglichkeit, den Freiraum, die Ressourcen oder die notwendige Kompetenz, um grundlegenden Fragen ihr Leben betreffend zu reflektieren und zu gestalten.
Ursache dafür kann etwa die fehlende Anregung im familiären und schulischen Umfeld sein, später im Leben dann die Anpassung an die Erwartungen der Gesellschaft, denn man macht, was etwa notwendig ist, um Freunde zu finden, eine Arbeit zu bekommen, im Beruf aufzusteigen, bei anderen nicht anzuecken. Dadurch wird ein Infragestellen persönlicher Haltungen wie auch systemischer Ungerechtigkeit eher verhindert, da es einem wichtig ist, sich einzuordnen und nicht die Strukturen, in die man eingebettet ist, zu hinterfragen.
Frankls Schaffen wird vor allem in Wohlstandsgesellschaften besonders beachtet, denn seine Grundannahme ist, dass es nicht das Glück selbst ist, das Menschen suchen, sondern das, weswegen sie glücklich sein könnten.

 

Schreiben Sie uns gerne eine Nachricht!

Passende Blogbeiträge

Der Sinn im Leben
Der Sinn im Leben

Als Menschen haben wir es selbst in der Hand. Wir erschaffen Sinn, indem wir unser Leben leben. Und dieser Sinn ist real. Wir dürfen optimistisch sein. Wir sind keine bloße Halluzination in unserem Kopf, wir sind die Welt, die wir erfahren und auf vielfältige Weise...

mehr lesen
Milgram oder eine höhere Form des Tötens
Milgram oder eine höhere Form des Tötens

Eines der bekanntesten, aber auch sowohl aus ethischen als auch aus versuchstechnischen Gründen umstrittensten Experimente der Psychologie ist das sogenannte Milgram-Experiment. Die Frage, die der Sozialpsychologe Stanley Milgram in den 60er Jahren beantworten wollte,...

mehr lesen