Psychische Belastung am Arbeitsplatz deuten und handeln
Ausgebrannt – Psychische Belastung bei Mitarbeitern
In Zeiten der Digitalisierung muss alles „schneller, höher, weiter“ gehen. Doch was passiert dabei mit dem Menschen? Viele Arbeitnehmer*innen setzt die heutige Arbeitswelt enorm unter Druck. Flexibel sein, zunehmend komplexe Aufgaben lösen und das hohe Tempo unserer Zeit sind echte Belastungen.
Stressbelastungen können krank machen und die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeiter*innen reduzieren. Langfristiges Nicht-Handeln kann zu Burnout, Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen führen. Gesundheitsmanagement ist vor allem eine Frage der Führungsebene. Was können und müssen Führungskräfte tun, um die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen?
Psychische Belastung
Psychische Belastung umfasst alle objektiven, äußeren Einflüsse, die auf die Psyche des Menschen einwirken. Beispiele für Belastungsfaktoren in der Arbeit sind die Arbeitsumgebung, die Dauer der Arbeitszeit und soziale Beziehungen. Wichtig: Der Begriff Belastung ist wertneutral. Unsere Psyche bekommt in der Arbeit ständig Eindrücke von außen – das ist per se nichts Negatives. Eine „Fehlbelastung“ kann z. B. durch zu hohen Zeit- und Leistungsdruck entstehen und so gesundheitliche Gefährdungen für Mitarbeiter mit sich ziehen.
Psychische Beanspruchung
Unter Beanspruchung versteht man alle subjektiven Folgen, die durch äußere Belastung entstehen. Sie beschreibt die „innere Reaktion“ auf eine Belastung, die positiv oder negativ sein kann. Lautes Sprechen kann bei einem Zuhörer zu mehr Aufmerksamkeit führen, bei einem anderen dagegen Stress verursachen. Die Beanspruchung ist von vielen individuellen Voraussetzungen, wie z. B. der Gesundheit, der Persönlichkeit oder der Tagesform abhängig.
„Sprungbrett-Metapher“
Die Gesundheit des Menschen ist wie ein Sprungbrett. Im Normalzustand steht das Brett gerade. Trifft eine Belastung von außen auf das Brett, verbiegt sich dieses. Die Beanspruchung beschreibt, wie sehr sich das Brett nach einer Belastung biegt. Bei jedem Menschen ist die körperliche und mentale „Flexibilität“ unterschiedlich. Ist die Beanspruchung negativ, dann sprechen wir von Stress.
Psychische Erkrankungen
Psychische Erkrankungen sind gesundheitliche Schäden, die durch falsche, häufige oder übermäßige Belastungssituationen (Fehlbelastungen) entstehen. Ein Konflikt mit einem anderen Mitarbeiter kann einmalig Stress verursachen. Findet der Konflikt jeden Tag statt, weil ein Mitarbeiter den anderen wiederholt schikaniert (Mobbing), kann eine psychische Erkrankung, wie eine Angststörung, bei dem gemobbten Mitarbeiter entstehen.
Psychische Erkrankungen sind im Vergleich zu anderen Krankheiten besonders lang. Sie dauern durchschnittlich 40 Tage. Eine Umfrage der Deutschen Depressionshilfe zeigt auch, dass jeder fünfte Beschäftigte Erfahrungen mit Depression hat. Die Krankheitskosten für psychische Erkrankungen liegen bei ca. 44,4 Milliarden Euro pro Jahr. Die Gesundheit der Mitarbeiter über ein professionelles Gesundheitsmanagement zu schützen, ist heute auch aus wirtschaftlichen Gründen eine Empfehlung für Unternehmen.
Häufige psychische Erkrankungen:
- Angststörung
- Burnout
- Boreout
- Depression
- Sucht
Ursachen für psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz:
- Überforderung (Zeit-, Konkurrenz- und Leistungsdruck, Komplexität der Aufgaben, zu hoher Flexibilitätsanspruch etc.)
- Unterforderung (z. B. durch monotone Arbeit)
- Arbeitsbedingungen (Hitze, Lärm, Arbeitszeiten etc.)
- Störungen des Arbeitsablaufs
- Soziale Konflikte
- Mobbing
Symptome für psychische Erkrankungen erkennen
Was müssen Arbeitgeber tun, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen?
Das Arbeitsschutzgesetz fordert nach § 5 ArbSchG vom Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung für psychische Belastung bei der Arbeit. Ziele des Arbeitsschutzes sind die Prävention von gesundheitsschädigenden Faktoren und die Sicherung einer menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Eine Gefährdungsbeurteilung ist ein Instrument zur Messung von potenziellen Belastungen von Mitarbeitern am Arbeitsplatz, noch bevor etwas passiert. Die Gefährdungsbeurteilung kann in folgenden Schritten erfolgen:
- Befragungen
- Interviews
- Workshops
- Begehung
- Auswertung
Verschiedene Berufsgenossenschaften stellen kostenlos Schulungen, Merkblätter und Fragebögen zur Gefährdungsbeurteilung für Unternehmen zur Verfügung. Diese sind erste Anlaufstelle, um die Arbeitsbedingungen im Unternehmen zu untersuchen, Störungen in Arbeitsprozessen zu identifizieren und zwischenmenschliche Konflikte zu finden – und schließlich auch zu vermeiden.
Wo tun sich Unternehmen beim Thema Gesundheitsförderung schwer?
Noch heute ist die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter für viele Unternehmen ein Thema, das stiefmütterlich behandelt wird. Ca. 1/7 der Kommunikation nehmen wir über das Verhalten anderer Menschen wahr. Ca. 6/7 spielen sich im Innenleben mit Gefühlen, Gedanken und Einstellungen ab. „Gesundheitsmanagement“ kratzt in vielen Unternehmen nur die Oberfläche dieses Eisbergs an. Die erste Herausforderung fängt bereits bei der Bestandsaufnahme und Analyse des psychischen Wohlbefindens (wie z. B. der Gefährdungsbeurteilung) der eigenen Mitarbeiter an. Darüber hinaus werden gesundheitsfördernde Maßnahmen oft auf Einzelhandlungen wie Ausflüge oder Yoga-Kurse reduziert, die keine langfristigen Lösungen für psychische Belastung und Erkrankungen darstellen.
In der Praxis hapert es nach der Gefährdungsbeurteilung oft an konkreten Verbesserungsmaßnahmen. Diese betreffen vor allem Veränderungen zu:
- Arbeitsinhalt
- Arbeitsorganisation
- Arbeitsumfeld
- Soziale Beziehungen (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Kolleg*innen)
Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter gesund und glücklich halten?
Das Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) hat sich aufgrund des hohen Bedarfs an der Auseinandersetzung mit der Gesundheit der Belegschaft als eigenständiger und wertvoller Unternehmensbereich entwickelt. BGM umfasst alle strategischen und systematischen Maßnahmen, die Menschen helfen, sich am Arbeitsplatz besser zu fühlen. Beispiele für BGM-Maßnahmen sind Mitarbeiterschulungen zum Stressmanagement, die Wiedereingliederung von Langzeitkranken und eine positive Unternehmenskultur. Diese werden von einem internen oder externen Gesundheitsmanager übernommen.
Die Akzeptanz und Überzeugung der Führungsebene ist wichtige Voraussetzung, damit BGM-Maßnahmen ihren gewünschten Effekt erreichen. Im Kern geht das BGM von der Unternehmensführung aus, die „gesunde Change-Prozesse“ im Unternehmen ermöglicht und durchsetzt. Die Erfahrung zeigt, dass BGM-Verantwortlichen andernfalls viele Hürden in den Weg gestellt werden. Dagegen gewinnen Unternehmen, die sich der Gesundheit ihrer Mitarbeiter widmen.
Wissenswert: Im BGM-Ansatz ist Feedback entscheidend, um das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu ergründen und langfristige Erkrankungen, wie Burnout oder Depressionen, zu verhindern. BGM ist damit auch ein Beispiel für agiles Arbeiten, das Feedback als Beginn von Veränderung sieht.
BGM – Ein gesundes Unternehmen schaffen
Unternehmen haben heute viele Möglichkeiten, die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter positiv zu beeinflussen. Arbeit ist nicht nur Belastung, sondern kann sinnstiftend sein, die persönliche Weiterentwicklung fördern oder jedem Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl zu einem Team geben. Studien belegen, dass gute Laune ein Erfolgsfaktor ist. Glückliche und gesunde Mitarbeiter sind engagierter bei der Arbeit. Gesundheitsmanagement ist deshalb eine unschätzbare Investition in das eigene Unternehmen.