Hot or not

Hot or not

Strategien bei der Partnerwahl

Wir fühlen uns angezogen von guten Tänzern, intelligenten Männern oder schönen Frauen. Dahinter stecken uralte Vorlieben und ganz schön viel Strategie.

Das Wichtigste in Kürze

  • Soziobiologischen Theorien zufolge verfolgen Frauen und Männer unterschiedliche Strategien bei der Partnerwahl.
  • Diese Strategien sind in grauer Vorzeit entstanden, da Frauen beim Sex ein höheres Risiko eingehen und bei einer Schwangerschaft mehr investieren müssen.
  • Während Frauen im Vergleich zu Männern Status, Kraft und Intelligenz höher gewichten, wünschen sich Männer mehr als Frauen eine gut aussehende und jüngere Partnerin.

Hot or not? 

Damit wir uns anziehend finden, müssen sich nicht einmal alle unsere Wünsche nach Status, Jugend oder einem passenden Immunsystem erfüllen. Das sind verschiedene Währungen, die gegeneinander ausgespielt werden. Wenn wir jemanden das erste Mal sehen, sind andere Aspekte wichtig als in langjährigen Beziehungen. Um den ersten Filter zu passieren, müssen Sie eine ‚hot or not‘-Entscheidung treffen. Je näher wir uns kennenlernen, desto stärker spielt dann auch die Persönlichkeit des anderen eine Rolle.

Samstagnacht in einer beliebigen Disko: Sie zuckt rhythmisch zu den Beats, lächelt ihren Freundinnen zu, nippt am Bier und lässt den Blick durch die Menge schweifen. Aus den Boxen dröhnt ein Charthit von 2020. Doch im Gehirn unserer Protagonistin, nennen wir sie Sarah, läuft ein uraltes Programm.

Großstädter in der Disko unterscheiden sich bei der Partnersuche gar nicht so sehr von Steinzeitmenschen, wie sie vielleicht meinen. Trotz Online-Dating und Facebook- Beziehungsstatus hat sich eines nicht geändert: Die Frauen bekommen die Kinder und investieren daher bereits vor deren Geburt mehr in ihren Nachwuchs. Denn während der Schwangerschaft müssen sie nicht nur ihr Ungeborenes versorgen, sondern können auch keine weiteren Kinder zeugen und somit ihre Gene nicht weitergeben.

Psychologen vermuten, dass sich dieses Ungleichgewicht auf die Partnerwahl auswirkt: Die Zeit und Kraft, die Frauen bereits in das Ungeborene gesteckt haben, „lohnt“ sich nur, wenn sie es auch großziehen. Dafür brauchen sie einen starken Partner. Frauen sollten demnach Männer bevorzugen, die genügend Ressourcen für die Familie aufbringen können. Männer stehen dagegen vor einem anderen Problem: Die fruchtbare Zeit ihrer Partnerinnen ist begrenzt. Je jünger und gesünder die Frau ist, desto wahrscheinlicher wird sie erfolgreich Kinder mit ihm zeugen können.

Bedingt durch dieses Ungleichgewicht setzen Männer und Frauen unterschiedliche Prioritäten bei der Partnerwahl, so das Konzept der Soziobiologie und das Ergebnis zahlreicher Studien. Der Psychologe Adrian Furnham vom University College London ließ beispielsweise 2009 Männer und Frauen ihre Traumpartner beschreiben: Männer betonten dabei gutes Aussehen stärker als Frauen. Den weiblichen Teilnehmern waren dagegen Intelligenz, Beständigkeit und Bildung wichtiger als den Männern, aber auch Körpergröße und soziale Fähigkeiten. Bestimmte Merkmale eines potenziellen Partners gilt es offenbar zu erkennen – am besten schon beim ersten Zusammentreffen.

Traumtänzer, Couch- Potatoes und Abenteurer

Zwischen den vielen Tänzern ist Sarah einer aufgefallen. Anders als die anderen wippt er nicht nur ein wenig im Takt. Stattdessen biegt und dreht er seinen Oberkörper, bewegt den Kopf zur Musik, schwingt die Beine. Damit begeistert er jedoch nicht nur Sarah. Frauen schätzen einen ganz bestimmten Tanzstil, stellte eine Arbeitsgruppe um Bernhard Fink von der Universität Göttingen in mehreren Studien fest. Die Wissenschaftler nahmen die Bewegungen von Männern auf und übertrugen diese auf virtuelle Figuren, bevor sie die Clips den Frauen vorspielten. Auf diese Weise stellten sie sicher, dass das Aussehen der Männer die Frauen nicht beeinflusste. Das Ergebnis: Wer Hals und Oberkörper häufig und vielfältig wandte und bog und das rechte Knie schnell bewegte, beeindruckte die Damenwelt am ehesten. Zu Recht, denn die attraktiven Tänzer erwiesen sich in weiteren Studien als körperlich stärker und als abenteuerlustig.

„Frauen erkennen den Couch- Potato gegenüber dem abenteuerlustigen, risikobereiten, durchsetzfähigen und kräftigen Mann relativ schnell aufgrund seiner Tanzbewegung. Das ist ein Grund, weshalb der Tanz so ein Klassiker bei der Partnersuche ist. Aus evolutionsbiologischer Sicht kann die Frau so schon früh einen gesunden und fitten Partner mit guten Genen aufspüren. Doch auch Männer können einiges aus dem Tanz der Frauen ablesen. So bewerten sie den Tanzstil von Frauen als attraktiver, die gerade im fruchtbaren Zeitraum ihres Zyklus sind.

Sarah hat sich ein Herz gefasst und sich dem guten Tänzer genähert. Er, nennen wir ihn Jan, lächelt ihr zu. Denn auch sie ist ihm aufgefallen. Soziobiologen gehen davon aus, dass Jan mit einem raschen Blick Sarah abgescannt hat auf Hinweise für ihre Reproduktionsfähigkeit. Dafür spricht, dass bestimmte hormonabhängige Merkmale besonders anziehend wirken. Bei Frauen sind das Merkmale, die besonders markant unter dem Einfluss von Östrogen ausgebildet werden, wie etwa prominente Wangenknochen, ein kurzes Untergesicht, große Augen oder volle Lippen. Zudem deuten verschiedene Studien darauf hin, dass Männer ein bestimmtes und zudem gesundes Verhältnis von Taillenumfang zu Hüftumfang präferieren. Doch der magische Idealwert von 0,7 ist keineswegs unumstritten.

Er riecht so gut

Sarah und Jan tanzen mittlerweile eng umschlungen. So eng, dass sie den Körpergeruch des anderen wahrnehmen können. Auch dadurch gewinnen sie Informationen über den anderen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Pheromone, die oft als sexuelle Lockstoffe durch die Medien geistern. Bei einem wirklichen Pheromon müssten wir zwar ähnlich wie eine männliche Motte reagieren, die kilometerweit dem Lockstoff des Weibchens hinterherfliegt.

Doch die Psychologie ist sich sicher, dass auch Menschen chemisch miteinander kommunizieren. Allerdings senden Menschen Informationen in Form einer komplexen Mischung von Molekülen im Körpergeruch – Informationen etwa über die Beschaffenheit des eigenen Immunsystems aus. Auch das ist biologisch sinnvoll: Denn zeugen zwei Partner mit sehr ähnlichen Systemen ein Kind, ist der Sprössling möglicherweise gegen zu wenige Krankheitserreger gewappnet. Hinter dem Ausspruch „Den kann ich nicht riechen“ steckt demnach etwas Wahres. Das Gehirn reagiert stärker, wenn wir Menschen wahrnehmen, die ein sehr ähnliches Immunsystem haben. In solch seltenen Fällen warnt uns der Geruch.

Sex mit Fremden?

Offenbar können sich Jan und Sarah gut riechen. Jan könnte sich nun vorbeugen und ihr ins Ohr flüstern: „Wie wäre es mit einem One- Night- Stand?“ Vermutlich bliebe er damit jedoch erfolglos. Denn Frauen tragen beim Sex naturgemäß ein höheres Risiko als Männer. Aus evolutionsbiologischer Sicht sollten sie daher wählerischer sein. Bereits 1989 konnten Russel Clark und Elain Hatfield zeigen, dass dies offenbar auch noch in Zeiten der Pille gilt. Die Psychologen baten mehrere Collegestudenten, Studierende des jeweils anderen Geschlechts anzusprechen: „Du bist mir auf dem Campus aufgefallen. Ich finde dich sehr attraktiv.“ Danach sollten die Probanden entweder ein Date, ein Treffen bei sich oder eine gemeinsame Nacht vorschlagen.

Von den Frauen war keine einzige bereit, mit einem Wildfremden zu schlafen. Bei den Männern dagegen antworteten 75 Prozent mit Ja. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam der Psychologe Gert Martin Hald von der Universität Kopenhagen, der die Studie 2010 zusammen mit einem Kollegen wiederholte. Zwar waren die Frauen offener gegenüber gutaussehenden Fremden, auf das Angebot zum One- Night- Stand reagierten sie jedoch ähnlich verhalten.

Geschickter wäre es, Sarah auf einen Drink einzuladen. Im Gespräch könnte Jan beiläufig sein Medizinstudium erwähnen. Denn im Laufe der Evolution sind Frauen sensibel geworden für Zeichen von Status und Intelligenz. „Neben körperlicher Kraft und Durchsetzungsfähigkeit müssen Sie auch in der Lage sein, Cleverness zu beweisen“, erklärt Fink, „Wenn Sie alles nur mit den Fäusten erledigen, werden sie nicht viel Erfolg haben in der Gesellschaft.“ Noch besser als nur vom eigenen Status zu reden: ihn demonstrieren. „Ich muss den Beweis antreten“, erklärt der Biophilosoph Eckart Voland von der Universität Gießen, „indem ich Ressourcen investiere in Merkmale, die sich meine Mitbewerber nicht leisten können.“ Nach demselben Prinzip investiert der Pfau in seine kostbaren Federn (Vom Sinn der Schönheit) und der Mann, so die Idee, in teure Sportwagen, schicke Uhren und noble Villen.

An der Bar unterhält sich unser Pärchen bereits angeregt. Sind die beiden nun reine Marionetten ihrer Biologie? So plausibel evolutionsbiologische Erklärungen klingen, sie sind schwer zu beweisen. Für sie spricht jedoch: Auf der ganzen Welt zeigen Menschen ähnliche Vorlieben. Natürlich prägt auch die jeweilige Kultur unsere Partnerpräferenzen. Je gleichberechtigter die Geschlechter in einer Gesellschaft sind, desto weniger stimmen die Präferenzen mit den alten Mustern überein, fanden Marcel Zentner und Klaudia Mitura 2012. Die soziobiologische Theorie gefährdet das jedoch laut Voland keineswegs: „Erworben oder angeboren – diese Dualität ist irreführend.“ Stattdessen suchen wir unseren Traumprinzen anhand eines Mix aus angeborenen Vorlieben, individuellen Präferenzen und anerzogenen Idealen.

Liebe ist Biochemie – War das schon alles?

Liebe ist Biochemie – War das schon alles?

Liebe Biochemie

Verliebtsein entfacht im Gehirn ein chemisches Feuerwerk. Und auch wenn sich später der Sturm der Gefühle legt, spielen Hormone eine wichtige Rolle. Ist damit schon alles über eines der großen Mysterien in unserem Leben gesagt?

Das Wichtigste in Kürze

  • Evolutionspsychologischen Theorien zufolge ist Liebe ein Trick der Evolution, um das menschliche Überleben zu sichern.
  • Im Gehirn regt sich beim Anblick des Geliebten vor allem das Belohnungssystem. Areale, die für rationales Denken und dem Einschätzen anderer Menschen zuständig sind, fahren ihre Aktivität nach unten.
  • In der frühen Phase der Liebe spielt vor allem der Botenstoff Dopamin eine große Rolle und sorgt für den Rausch der Gefühle. In späteren Phasen von Beziehungen bestärkt möglicherweise das Hormon Oxytocin die Bindung zwischen den Partnern.
  • Ob sich Liebe wirklich auf die Neurochemie im Gehirn reduzieren lässt, ist umstritten. In vielem steht die Neurowissenschaft der Liebe erst am Anfang. Bisher jedenfalls lässt sich die Komplexität der Liebe nicht im Labor abbilden.

Jungbrunnen fürs Gehirn?

2005 erforschten italienische Wissenschaftler um den Mediziner Enzo Emanuele von der University of Pavia den so genannten Nervenwachstumsfaktor bei verschiedenen Probanden. Das Protein ist unerlässlich dafür, dass das Gehirn „jung“ bleibt, erforderlich für das Leben von Neuronen und das Wachstum von Dendriten. Die Forscher untersuchten 58 Menschen, die frisch verliebt waren, und verglichen sie mit Versuchspersonen, die nicht verliebt waren und mit solchen, die schon lange in einer Beziehung steckten. Die Konzentration des Nervenwachstumsfaktors im Blutplasma der frisch Verliebten war höher als die der Kontrollgruppen. Wie die Forscher vermuteten, könnte das mit dem Gefühl der Euphorie des Verliebtseins in Zusammenhang stehen.

Von wegen Mars und Venus

Es mag zunächst verblüffen: Verliebt man sich, fällt beim Mann der Testosteronspiegel zunächst, und bei der Frau geht er nach oben. Das fanden die Psychiaterin Donatella Marazziti und der Endokrinologe Domenico Canale von der University of Pisa 2004 heraus. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass sich die Geschlechter in dieser Phase vom Verhalten her angleichen, glauben die Forscher.

Der wissenschaftliche Blick auf die romantische Liebe ist ein nüchterner und nicht selten auch ernüchternd: Das Gefühl, das bei frisch Verliebten Schmetterlinge im Bauch flattern lässt, ist in seinen Augen lediglich das Ergebnis eines geschickt gemixten Hormoncocktails. Die intime Liebe zwischen zwei Menschen – bloß eine evolutionär nützliche Illusion, um die Fortpflanzung zu sichern. Doch wie viel weiß die Wissenschaft tatsächlich von der mächtigsten Kraft in unserem Leben?

Glaubt man der evolutionären Psychologie, hat die Natur mit der Erfindung der romantischen Liebe tief in die Trickkiste gegriffen, um das Überleben der Spezies Mensch zu sichern. Als deren Gehirn im Laufe der Entwicklungsgeschichte immer größer wurde, war der Nachwuchs immer länger auf die Pflege seiner Eltern angewiesen. Daher seien Liebe und die Paarbeziehung praktische Einrichtungen der Evolution, damit beide Eltern die Sprösslinge für eine lange Zeit unter ihre Fittiche nehmen. So argumentieren etwa die Psychologen Lorne Campbell von der University of Western Ontario und Bruce Ellis von der University of Canterbury im „Handbook of Evolutionary Psychology“.

Liebe ist keine Herzensangelegenheit

Das wissenschaftliche Sezieren der Liebe steht in vielem noch am Anfang. Doch eine Sichtweise hat sich schon jetzt radikal geändert: Liebe ist nur noch in der Kunst und in unserem subjektivem Erleben eine Angelegenheit des Herzens. Denn mittlerweile haben Forscher das Gehirn als eigentlichen Ort des romantischen Geschehens ausgemacht.

Pionierarbeit auf diesem Gebiet leisteten 2000 die Neurowissenschaftler Semir Zeki vom University College London und Andreas Bartels, heute am Max- Planck- Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen. Sie nahmen per funktioneller Magnetresonanztomografie das Gehirn von 17 Probanden unter die Lupe. Einmal zeigten sie den schwer Verliebten Bilder ihrer Partner und ein andermal Fotos von Freunden. Wie sich zeigte, sprang beim Anblick des innig geliebten Menschen vor allem das limbische Belohnungssystem an.

Geld, Macht und Erotik

Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wurde inzwischen in zahlreichen neurowissenschaftlichen Studien untersucht, was uns motiviert und wo die Motivation im Gehirn zu verorten ist. Geld, die Aussicht auf Gewinn, erotische Fotos und attraktive Gesichter, aber auch wohlschmeckende Fruchtsäfte und soziale Anerkennung aktivieren in Gehirnscans stets das Belohnungssystem.

Abhängig vom dargebotenen Reiz treten dabei aber subtile Unterschiede auf. Beispielsweise entdeckten der Neurowissenschaftler Jean- Claude Dreher und seine Kollegen vom Institut des Sciences Cognitives im französichen Bron 2010, dass der zum Vorderhirn gehörende orbitofrontale Cortex (OFC) unterschiedlich auf Bikinifotos und Geld anspricht. Erotische Reize aktivieren vor allem den hinteren Teil dieses Hirnareals – den so genannten posterioren lateralen OFC. Dass dieser entwicklungsgeschichtlich recht alte Bereich des orbitofrontalen Cortex in diesem Fall reagiert, erklärt Jean- Claude Dreher damit, dass schon unsere vor hunderttausenden Jahren lebenden Vorfahren beim Anblick eines attraktiven, sexy Gegenübers freudig und motiviert reagierten. Oder, wie Evolutionsbiologen sagen würden, reagieren mussten – um das Überleben der Art zu sichern.

Der vorne, nahe der Augen liegende Teil des OFC – der anteriore laterale OFC — wird hingegen bei Aussicht auf finanziellen Gewinn aktiviert. Verglichen mit dem posterioren Teil ist er entwicklungsgeschichtlich relativ jung, was darauf hinweisen könnte, dass die Motivation durch sekundäre Verstärker wie Geld erst in jüngerer Zeit entstanden ist.

Eine weitere Erkenntnis der neurowissenschaftlichen Forschung lautet: Schon eine bloße Neuheit – etwas vorher noch nicht da Gewesenes, wie ein unbekanntes Bild – führt zu einer Aktivierung des Belohnungssystem. Dies belegt neurobiologisch, was Psychologen schon vielfach nachgewiesen haben: Neugier ist eine starke Motivation und eine der wichtigsten Triebfedern des menschlichen Verhaltens.

Gleichzeitig fuhren aber auch manche Areale ihre Tätigkeit nach unten, etwa der präfrontale Cortex Er ist für rationale Entscheidungen wichtig. Außerdem drosselte ein Netzwerk um die temporo- parietale Kreuzung seine Aktivität. Es ist normalerweise dafür zuständig, andere Menschen sozial einzuschätzen. Einige Hirnforscher sehen darin eine Bestätigung für die alltägliche Erfahrung, dass Liebende oft kopflos handeln. Und auch Bartels und Zeki vermuteten in ihren Ergebnissen eine mögliche neurobiologische Erklärung, warum Liebe blind macht.

Das klingt zunächst einmal einleuchtend. Das Problem dabei ist nur: Von den Aktivierungsmustern im Gehirn darauf zu schließen, was psychologisch im Kopf eines Menschen abläuft, ist wissenschaftlich heikel. Das betonte 2003 ein Team um den Psychologen John Cacioppo von der University of Chicago in einer Übersichtsarbeit zum Vorgehen in den sozialen Neurowissenschaften. Trotz solcher Bedenken geht die Deutung von Hirnaktivitäten bis heute munter weiter.

Liebe als Sucht?

2012 trug die Neurowissenschaftlerin Stephanie Cacioppo von der Universität Genf gemeinsam mit Kollegen die Funde der Hirnforschung zur romantischen Liebe zusammen. Das Ergebnis: Leidenschaftliche Liebe entfacht Hirnareale, die mit Euphorie, Belohnung und Motivation in Verbindung gebracht werden. Da sich diese Regionen auch unter dem Einfluss von Opiaten oder Kokain regen, ist für viele Forscher klar, dass sich Liebe und Sucht wohl gar nicht so unähnlich sind. Der Psychologe Jim Pfaus von der Concordia University formuliert es so: „Liebe ist eigentlich eine Gewohnheit, die sich aus sexuellem Begehren ergibt, da Begehren belohnt wird. Es funktioniert in der gleichen Weise im Gehirn, wie wenn Menschen von Drogen abhängig werden.“

Der Blick auf die Hormone scheint ihm Recht zu geben. Gerade in der prickelnden Phase des Verliebtseins überschwemmt der Botenstoff Dopamin das Gehirn. Ausgeschüttet vom Hypothalamus, der wichtigsten Hormonquelle des Gehirns, wirkt Dopamin vor allem im bereits erwähnten limbischen System. Im Volksmund gilt der Botenstoff bereits als Glückshormon. Und er spielt tatsächlich nicht nur bei Belohnungen im Gehirn und bei Euphorie eine Rolle, sondern auch bei Sucht.

Liebe – eine Obsession?

Während der Dopaminspiegel im Rausch der Gefühle zunimmt, nimmt ein anderer Botenstoff ab: Serotonin. Der Serotoninpegel von Verliebten ähnelt denen von Menschen mit einer Zwangsstörung, ergaben erste Untersuchungen. Nicht nur der Hirnforscher Semir Zeki behauptet daher: „Liebe ist am Ende eine Form von Obsession.“ In frühen Stadien lähme sie im Allgemeinen das Denken und lenke es in die Richtung eines einzigen Menschen.

Liebe ist also eine Form der Besessenheit. Auch das hört sich zunächst plausibel an. Wer kennt es schließlich nicht, wie die Gedanken nur noch um einen Menschen kreisen. Doch diese Interpretation ist nicht nur einmal mehr reichlich spekulativ, sondern hat auch noch einen anderen Haken. Zwar spielt das Serotoninsystem nach allem, was man weiß, tatsächlich bei der Liebe eine Rolle. Aber nach einer Übersichtsstudie von 2009 ist nicht gesichert, dass der Serotoninspiegel von romantisch Verliebten immer sinkt.

Hormon der Bindung

Nach den stürmischen Monaten einer neuen Liebe gelangen Paare allmählich in ruhigere Gefilde. Hier kommt das Hormon Oxytocin zum Zuge. Produziert im Hypothalamus, wird es verstärkt in Phasen romantischer Bindung ausgeschüttet. Oxytocin sorgt für Vertrauen gegenüber anderen Menschen, bestimmt, welchen Menschen wir besonders attraktiv finden, und fördert die langfristige Paarbindung und die Treue. Nicht nur beim Menschen übrigens: Präriewühlmäuse neigen eigentlich zur Monogamie. Blockiert man allerdings die Ausschüttung von Oxytocin, wechseln die kleinen Nager den Partner häufiger.

Neurococktail der Liebe

Ist also in Sachen Liebe und Bindung alles eine Frage des richtigen Neurococktails im Gehirn? Und könnte man – zumindest theoretisch – mit Hilfe eines modernen Aphrodisiakums aus köpereigenen Opiaten und Oxytocin jemanden dazu bringen, sich in eine beliebige Person zu verlieben? Der Sozialpsychologe Manfred Hassebrauck von der Bergischen Universität Wuppertal glaubt das nicht. „Sie werden sich dann zwar ganz toll fühlen, verspüren auch mehr Energie und freuen sich. Aber ob Sie verliebt sind, ist eine komplett andere Geschichte.“ Dazu gehöre nämlich noch der kognitive Aspekt der Liebe. „Und eine Person, die wir wahrnehmen als eine, die unseren Wünschen entspricht.“ Die Biopsychologin Beate Ditzen sieht das ganz anders: „Wir haben zwar im Moment einen solchen Cocktail nicht.“ Tatsache sei aber auch, dass ein biologischer Cocktail in uns in einer bestimmten Dynamik das Gefühl der Verliebtheit auslöse. „Das ist die Konsequenz und nicht die Ursache“, glaubt hingegen Manfred Hassebrauck.

Was in der naturwissenschaftlichen Arbeit manchmal allzu schnell unter den Labortisch fällt: Liebe ist ein sehr komplexes Phänomen mit vielen Facetten. Stärker als in neurobiologischen Modellen spiegelt sich das in psychologischen wider. Ein sehr bekanntes stammt von dem Psychologen Robert Sternberg, die so genannte Dreieckstheorie der Liebe. Neben emotionalen und motivationalen Aspekten, die häufig die naturwissenschaftliche Arbeit dominieren, betont Sternberg auch einen kognitiven Aspekt. Er besteht in der rationalen Entscheidung, jemanden zu lieben und eine Bindung mit ihm einzugehen.
Auch viele naturwissenschaftlich orientierte Forscher sind sich im Grunde dieser Vielschichtigkeit von Liebe bewusst, die sich nicht so leicht unter künstlichen Laborbedingungen abbilden lässt. Liebe sei eine komplexe Empfindung, betonen etwa die Hirnforscher Andreas Bartels